Oder: Warum auch Gangpferde gymnastisch wertvoll und ohne Manipulation ausgebildet gehören

Islandpferd trainierenViele von Euch wissen, dass meine Reitanfänge in der Gangpferdereiterei begründet sind. Mein erstes Pferd, Heidrùn, habe ich noch immer an meiner Seite (aktuelles Foto Sept. 2016). Sie ist jetzt 36 Jahre alt, seit 29 Jahren an meiner Seite und ich habe das Gefühl, sie wird mich überleben 🙂 Vielleicht sollte ich Vorsorge-Fonds oder eine Lebensversicherung für sie abschließen…

Dass ich genau ein Islandpferd als erstes Pferd bekommen habe, hatte sehr pragmatische Gründe: Ich war klein, jung und schwach und meine Eltern dachten, so ein Kleinpferd ist praktischer als ein „richtiges Pferd“. Allerdings konnte ich sogar bei Heidi den Sattel allein nicht auflegen… Und so bin ich immer vom Zaun auf Heidis Rücken geklettert und ritt die meiste Zeit ohne Sattel… (Aber das hat meiner Reitbalance mit Sicherheit nicht geschadet…)

Mehr Infos zu Heidi hier: https://www.sandrafencl.com/pferdegesundheit-ist-vertrauenssache/

So, langer Rede kurzer Sinn: Ich bin also mit Islandpferden groß geworden und habe dann als Jugendliche auch angefangen, erfolgreich auf Turnieren zu starten. Ich habe dann mit 18 meinen Islandpferde-Übungsleiter (Trainer C) als Kursbeste absolviert und war damals schon sozusagen „Profi“. Bereits mit 14 Jahren hatte ich begonnen, unsere selbst gezüchteten Isis einzureiten und auch schon damals habe ich Unterricht erteilt (ohne zu wissen, wie das eigentlich geht… aber irgendwie ging’s trotzdem ganz gut)….

So, und dann kam ich zu Marjorie Armstrong, einer klassisch (-barocken?), australischen Reitlehrerin, die Vielseitigkeits-Olympiasiegerin und eine direkte Elève (Schülerin) vom portugiesischen Reitmeister Nuno Oliveira war…  Als ich mich, zwischen Lusitanohengsten, Friesenhengsten und Lipizzanerhengsten, mit meinem Puschel-Isländerwallach in Linz vorstellte, hat sie mal bisserl lustig geschaut und mich gefragt: „WAS ist das?“ Ich hab ihr dann voller Stolz geantwortet: „ES ist ein Islandpferd, ES hat 5 Gänge und ES hat auch einen Namen, nämlich Bangsi (zu Deutsch: Bärchen).“ Als Australierin war sie etwas erstaunt über ein ISLANDpferd in ihrem Kurs. Voller Freude hab ich ihr vorgeschlagen, ich könnte ihr ja mal wenigstens Bangsi’s Tölt  präsentieren, damit sie diese Gangart mal sieht… (Rennpass war bisserl schwierig in der Halle).

Gesagt, getan: Ich hab in der Halle ein paar Runden im Tölt gedreht mit ein paar schönen Verstärkungen an den langen Seiten… Danach hab ich mich wieder vor ihr hingeparkt und auf ihre bewundernden Worte gewartet, die aber irgendwie ausblieben. Ihr Kommentar viel für mich doch sehr überraschend aus: „I have never seen a horse like this. I have never seen a gait like this. But I can always see, if a horse uses its back or not, when ridden, and THIS horse doesn’t use its back at all.“ (Ich habe noch nie so ein Pferd gesehen. Ich habe auch noch nie so eine Gangart gesehen. Aber ich kann immer sehen, ob ein Pferd beim Reiten seinen Rücken verwendet oder nicht, und DIESES Pferd verwendet seinen Rücken GAR NICHT.“

Gangpferde gymnastisch wertvoll reiten

Lang hat es gedauert, bis ich meinen 5Gänger Bangsi ohne Eisen so reiten konnte… Aber ich habe sooooo viel von ihm gelernt… Hier sind Bangsi (im Alter von 28 Jahren) und ich beim Seminar mit Bent Branderup in Salzburg.

Nach diesem Kommentar ist mein fröhliches Lächeln erst mal versiegt und ich hab mich – als anerkannte Trainerin und Turnierreiterin – um ehrlich zu sein geärgert… LANGE blieben mir diese Worte im Kopf… Ständig musste ich daran denken…

Was wie ein Faustschlag in mein Gesicht begann, ging so weiter: Aufsteigen an der Aufstieghilfe: Mein Pferd geht gleich los, nachdem ich im Sattel sitze. Marjorie: „We will do this again, until he waits for a signal, to start walking“. (Wir machen das so lange, bis dein Pferd auf ein Signal fürs Anreiten wartet, und nicht einfach losläuft). Ok, meine erste EINZELstunde bei Marjorie (zu einem kleinen Vermögen) bestand AUSSCHLIESSLICH im Auf- und Absitzen an der Aufstieghilfe… Ich war nicht nur frustriert von meinem ersten Reittag bei Mrs. Armstrong, sondern hegte leichte bis mittlere Aggressionen…

Biomechanik für Gangpferde

Bei Marjorie habe ich gelernt: Ein Pferd das im Rücken nicht losgelassen ist, wird AM BODEN gymnastiziert und erst geritten, wenn es seinen Rücken ohne Reiter loslassen kann!

Es war eine bittere Pille, die ich zu schlucken hatte.  Aber gut, dieser Kurs hat mir tatsächlich die Augen geöffnet. Denn nach 5 Tagen intensivem Dressur-/Handarbeits-/gymnastischem Bodenarbeits- und Barockreitkurs bei Marjorie wusste ich als Trainerin: Ich weiß, dass ich nichts weiß… und das als Profi! Aber Marjorie hatte Recht. Mein Pferd lief ohne Rücken(-tätigkeit). Mein Pferd war manipuliert. JA, es war ein Turnierpferd. Ja, wir waren erfolgreich bei Gangpferde-Turnieren und im Kader, aber NEIN, es war kein reelles Reiten. Das wurde mir noch klarer, als ich dann im Herbst Bangsi seine (schweren 10er) Eisen abnahm: Danach gab es nämlich erst mal nur noch eine Gangart: „Piggypace“ also Schweinepass vom Feinsten – und das mit und ohne Reiter…

Es war ein schweres Jahr anno 2000. Aber dieses Jahr hat mir gezeigt: Wir dürfen und können NIE aufhören zu lernen. Nur weil wir erfolgreich bei Turnieren starten, heißt das nicht, dass wir gute Reiter sind. Nur weil wir Trainer sind, heißt das nicht, dass wir Pferde gymnastisch wertvoll ausbilden… Ich war beschämt. Ich war auch zornig. Auf mich, aber auch auf meiner vorherigen Trainer. Denn die meisten von ihnen hatten nie an den ECHTEN GRUNDLAGEN FEINER REITKUNST mit mir gearbeitet, sondern an der „Manipulation von Pferden für gute Noten“ – ohne dass ich es gemerkt oder verstanden hatte (aber vielleicht wussten sie es auch damals selbst nicht besser…).

Pferdetraining bedeutet immer Training an sich selbst....

Pferdetraining bedeutet immer Training an sich selbst….

Ich habe in diesem einen Kurs eine Basis für eine ganz neue Art der Pferdeausbildung (für mich) gelegt. Pferde GESUNDHEITSFÖRDERND auszubilden – klassisch also. Und das unabhängig davon, ob es ein Gangpferd ist oder nicht: Für mich gehören ALLE Pferde gymnastisch wertvoll ausgebildet… deshalb trainiere ich junge Pferde seitdem ausnahmslos ohne Eisen, ohne Glocken, Hilfszügel oder sonstigen „Manipulationsmitteln“. So sehe ich unverfälscht, wie sie sich im Takt bewegen und wie losgelassen sie WIRKLICH sind…

… und heute setze ich mich erst auf ein Pferd, wenn es sich überhaupt losgelassen am Boden bewegen kann. Alles andere macht nämlich für mich keinen Sinn…  Wenn ein Pferd schief wie ein Motorrad um die Kurven an der Longe stackselt, wird das unterm Reiter seltenst besser. Denn die wenigsten (auch Profi-!!!)Reiter unterstützen ein Pferd so, dass es wirklich DEUTLICH schöner und erhabener sich MIT Reiter als ohne Reiter bewegt…

Vor ein paar Monaten, als ich mit meinem Lusitano Rufino bei einem Desmond O’Brien-Kurs war, hat mich eine Teilnehmerin, die ich gar nicht kannte, angesprochen. Sie hatte selbst einen sehr eindrucksvollen Lusitanohengst und sagte nach meiner Reitstunde zu mir: „Ich kenne dich nicht. Ich finde, dein Pferd auch eher „unauffällig“ (er ist Wallach…). Aber wenn du mit ihm reitest, seht ihr gemeinsam so schön und stolz aus, das beeindruckt mich wirklich.“ Und mich selbst hat diese Aussage unheimlich gefreut… Denn wenn ein Pferd sich stolz, motiviert und fröhlich unter Dir präsentiert und auch nach dem Reiten diesen Ausdruck erst mal behält, dann weißt Du, dass du – vielleicht nicht alles – aber zumindest einiges richtig gemacht hast 🙂 Als Konsequenz kommen die Pferde dann auch gern zu Dir zum Arbeiten…. auch von der Koppel 🙂

… und an diesen Kurstag hab ich im Stillen die letzten 20 Jahre meines Lebens Revue passieren lassen…. Sie waren manchmal auch bitter und schwer. Vielen (Problem???-)Pferden bin ich in der Zeit begegnet. Gerade auch mein Lusitano war wirklich SEHR schwierig anfangs im Umgang und beim Reiten sowieso (er war ein Wildpferd)… Aber ich habe so unglaublich viel von ihm und allen Pferden gelernt, denen ich begegnen durfte, wofür ich einfach nur dankbar bin. Und wenn ich etwas gelernt habe, dann ist es mit seinem eigenen „Können“ demütig zu sein und zu verstehen: Pferdetraining ist immer Training an uns selbst.

Islandpferde gymnastisch trainieren

Reiten kann soooo schön sein, wenn man offen bleibt für Neues und demütig jedem Pferd begegnet… Denn jedes Pferd ist ein Lehrmeister (zumindest für mich!).

In diesem Sinne wünsche ich Euch vielleicht den einen oder anderen ergreifenden Moment in Eurem Reiterleben, wo ihr für Euch ggf. klar werdet: Es liegt NICHT am Pferd. Um genau zu sein: Es liegt NIEMALS am Pferd. Natürlich gibt es Pferde, die machen es einem Reiter leichter oder schwerer (am Anfang). Aber am Ende des Tages liegt es an EUCH, wie ihr mit diesem Pferd kommuniziert und in Harmonie, Balance und Leichtigkeit reitet… nicht mehr und nicht weniger… In diesen Sinne wünsche ich Euch viele Sternstunden und Regenbogenritte! 🙂

Eure Sandra, die jeden Tag etwas Neues dazu lernt, denn beim Reiten hört das Lernen NIEMALS auf 🙂

PS: Wer sich über meine Ansichten von gesundem  und fairen Pferdetraining (auch ganz speziell für Gangpferde!)  informieren möchte, kann das hier tun oder mir gerne eine E-Mail schreiben!

PPS: Mehr Fotos von meiner Islandreise auf meiner Fotoseite unter: www.facebook.com/sandrafenclphotography

ODER: Was Vertrauen bedeutet und warum positive innere Bilder so wichtig sind….

Gestern war ich das erste Mal in meinem Leben mit Pferden schwimmen…. und zwar mit meinen eigenen Pferden (die dementsprechend auch noch nie schwimmen waren). Am Stall hat mich eine Stallkollegin gefragt, ob ich denke, dass meine Pferde ins Wasser gehen werden. Ich sagte: „JA, da bin ich mir SICHER„. Sie erwiderte: „Wie kannst du dir sicher sein, wenn sie es noch nie gemacht haben.“ Ich sagte: „Weil ich weiß, dass sie mit mir mitkommen werden, sie vertrauen mir.

Übrigens gleich mal vorweg: Normalerweise können alle Pferde von Natur aus schwimmen – so wie alle Hunde.  Sie müssen es nicht wirklich „lernen“. Jedoch ist es sicherlich anstrengend für sie am Anfang (auch geistig-emotional) und deshalb solltest Du die ersten Schwimmeinheiten mit deinem Pferd nicht zu lange gestalten 🙂 Und natürlich sollte Dein Pferd grundsätzlich schon mal Wasser kennen. Also Beine abspritzen etc. Obwohl es tatsächlich häufig so ist, dass Pferde das Abspritzen NICHT mögen, aber in ruhige Gewässer gern reingehen… Scheinbar mögen sie das Rumgespritze nicht 🙂

Am See angekommen – nach einem fast 9 km langen Ritt –  gab es erst mal eine kurze, wohlverdiente Graspause. Ich kann ja meine Pferde überall frei lassen, ohne, dass sie weggehen (ACHTUNG: NICHT ZUR NACHAHMUNG EMPFOHLEN!!!).

Pferde Wasser vertrauen

Nach ca. 30 Minuten Verschnaufpause hab ich dann meine Pferde an einer ruhigen Stelle ohne Menschen ins Wasser geführt. Isländerstute Fjola hat erst mal den Grund abgetastet und war final mit dem Kopf bis über die Augen und nur knapp unter den Ohren am tauchen. Da hatte ich kurz etwas Angst, denn neben dem Zungenbein ist das Innenohr das wichtigste Gleichgewichtsinstrument beim Pferd. Deshalb sollte (auch beim Abspritzen/Waschen) NIEMALS Wasser in die Ohren des Pferdes gelangen!

Pferd ins Wasser

Übrigens: Auch wenn ein Pferd nur durchs Wasser „watet“, MUSS es die Oberfläche des Wassers mit den Nüstern anblasen. Pferde können aufgrund ihrer seitlich sitzenden Augen nicht wirklich sehen, wie tief das Wasser ist. Sie müssen es daher „anblasen“ mit der Nase dicht über der Wasseroberfläche, um einschätzen zu können, wie tief ein Gewässer ist. Deshalb meine Bitte an Dich:

GIB DEINEM PFERD DIE MÖGLICHKEIT, die WASSERTIEFE EINZUSCHÄTZEN, indem Du ihm LANGE ZÜGELN durch ein VORSTRECKEN Deiner ARME gewährst. So hast Du Dein Pferd noch immer „im Griff“, Du ziehst aber nicht in seinem Maul und Dein Pferd kann reell einschätzen, wie tief das Wasser ist. Viele Reiter wissen nicht, dass Pferde von oben nicht oder schlecht sehen können, wie tief ein Gewässer ist, und das ist auch der GRUND, WARUM VIELE PFERDE NICHT INS WASSER GEHEN WOLLEN!

Na ja, nach einem kurzen Fjola-Tauchgang hab ich meine beiden Helden dann angefeuert, mit mir ins Wasser zu kommen. Beide hatten kurze Zweifel, sind aber aufgrund meiner Zurufe gleich mitgekommen. Ich bin rückwärts geschwommen, sodass ich sie ansehen konnte…

mit Pferden Schwimmen

Mein Lusitano hat versucht, ganz dicht bei mir zu schwimmen, sodass ich ihn retten kann, falls er untergeht… Er hatte schon etwas Angst, als plötzlich kein Boden mehr unter den Füßen war. Meine Isländermaus hingegen hat das alles ziemlich cool gefunden und mit den Nüstern unter Wasser rumgeblubbert, mit den Beinen (wo sie noch stehen konnte) rumgeplanscht und bestimmt 5 x den ganzen Kopf inkl. Augen unter Wasser getaucht… Sie ist ein Seepferd!

Pferde ans Wasser gewöhnen

In jedem Fall war ich super stolz auf die Zwei und total „verliebt“…. Denn einmal mehr haben sie mir bewiesen, dass sie mir praktisch „blind“ vertrauen. Sie wissen, wenn ich ihnen sage, sie können das, dann WERDEN SIE ES SCHAFFEN – auch wenn sie selbst in dem Moment daran zweifeln.

Pferde Wasser

 

Dieses Vertrauen bekommt man aber nur geschenkt, wenn man

a) seine Pferde versteht und ihnen zuhört
b) seine Pferde nicht ständig überfordert
c) seine Pferde als gleichberechtigte Partner (oder in meinem Fall: Freunde und Familienmitglieder) ansieht und ihnen „eine Stimme gibt“.
d) für sie da ist – in GUTEN WIE IN SCHLECHTEN ZEITEN.

Und genau diese Punkte beachte ich und meine Pferde wissen das. Ich bin für sie da. Immer. Egal was passiert. Ich kümmere mich um sie. Und ich werde sie NIEMALS reiten oder ähnliches verlangen, wenn sie nicht fit sind… Das ist mein Versprechen… Ich wünsch Euch ganz viel Spaß mit Euren Pferden (mit und ohne Wasser)!

Eure 3er-Plansch- und Schwimmgruppe Sandra’s Seahorses 🙂

PS: Mehr Bilder demnächst auf meiner Fotoseite www.facebook.com/sandrafenclphotography 🙂

Wenn Pferde Angst vor Wasser haben

PPS: DANKE an meine Assistentin Nike Hertenstein fürs Fotografieren :)))