Gestern war ich bei meinem Lusitano auf der Weide und hab ihn zur Handarbeit „eingesammelt“. Obwohl ich mit Trense „bewaffnet“ auf die Weide gekommen bin, ist er mir gleich freudig entgegengestapft – er arbeitet ja sehr gern 🙂 Ich also die Trense nach einem kurzen „Guten-Morgen-Kuschler“ draufgemacht und bin den eeeeeeeeeeeeeeeeewig langen Weg von der Koppel vorgestapft. Rufino mir hinter her (frei, wie immer, er geht ja eigentlich immer „einfach so“ mit, ohne geführt zu werden).

Nach ca. 200 m Weg fällt mir plötzlich etwas ein, und ich grüble ein paar Sekunden vor mich hin. Mein Bub merkt das SOFORT, dass meine Konzentration nicht bei mir ist und die „mentale Verbundenheit“ verloren gegangen ist. Und was macht er??? Er geht. Entspannten Schrittes geht er zurück in Richtung Koppel. Der Deal ist nämlich „Wir arbeiten gemeinsam, wir haben gegenseitigen Respekt und das was ich von ihm verlange, verlangt er auch von mir: Vollste Konzentration und „Herz“ bei der Sache. Wenn nicht, dann nicht. Ja, dann nicht. Und wo er Recht hat, hat er Recht 🙂

Pferdetraining Sandra Fencl

Pferdetraining Sandra Fencl

Ich also im entspannten Schritt wieder auf der Koppel, als ich ihn zum zweiten Mal rufe, kommt er wieder freudig an. Ich lächle und denke: „Was hat mir dieses Pferd schon alles beigebracht, und er tut es jeden Tag aufs Neue“. Danke, danke, danke liebes Universum für dieses GESCHENK. Mein Bub, mein Lehrer, Freund und Abenteuer-Gefährte….

RESPEKT vorm Pferd, Freude vorm lebenslangen Lernen, das ist mir wichtig und wie mir scheint, geht es immer mehr Pferdefreunden so …

In diesem Sinne ein schönes, respektvolles Wochenende!

Rufino & Sandra

Immer wieder sehe ich, dass Pferde mit allen möglichen Mitteln „schnell“ ausgebildet werden müssen… Denn Zeit ist Geld und Pferde sind auch ein Geldfaktor (in vielerlei Hinsicht)… Das ist sehr schade, denn Pferde BRAUCHEN Zeit, um sich psychisch und physisch zu entwickeln. Seit einiger Zeit habe ich einen wirklich wundervollen Friesenbub im Training, der mir das GANZ deutlich zeigt. Die sehr liebe Besitzerin hat ihn direkt aus den Niederlanden gekauft, angeblich „A-fertig“. Nachdem er nicht ganz einfach war (riesengroß, im Hengsttyp stehend, erst 4jährig) hat sie mich um Hilfe gebeten.

Sandra Fencl Pferdetraining

Sandra Fencl Pferdetraining

Bei meinem ersten Kontakt war der Friesenbub sehr schüchtern, mit großem Erstaunen stellte ich fest, dass er nicht führen konnte – also GAR nicht… Ich habe mich gefragt, wie man so ein Pferd reitet, das man weder von rechts noch von links noch hinter sich noch irgendwie führen kann… Ausserdem machte er einen recht gestressten Eindruck… Ich fing also noch mal mit dem kleinen Führ-Einmaleins, dann mit Longieren etc. an.

Hinsichtlich „Grunderziehung“ hatte er scheinbar nichts gelernt, dafür hatte er aber totale Panik mit Sattel, Trense & Zügeln  (wenn er Zügel nur gesehen hat, ist er fast ausgerastet und daraufhin in Rollkur gelaufen, auch wenn man sie nur DRAUFGELEGT hat, WAHNSINN!!!)…

WIE genau der arme Kerl ausgebildet wurde, möchte ich gar nicht wissen. Auf jeden Fall war es nicht ganz einfach, ihm seinen Stress zu nehmen.

Nachdem die Grunderziehung saß, haben wir ihn zwei Monate auf die Koppel entlassen. Er war in seinem Kopf nämlich noch ein totales Kind, obwohl er immerhin dann schon fast 5 Jahre alt war. Friesen sind aber sehr spätreife Pferde und nicht selten habe ich schon die schwarzen Perlen mit noch 8 Jahren deutlich wachsen sehen… Als wir dann das gemeinsame Training nach 2 Monaten Koppelpause wieder aufnahmen, war der Bub wie ausgewechselt. Er war reif, „erwachsen“ und mit Begeisterung, Ruhe und 100prozentiger Konzentration bei der Sache – er war so weit, ins „echte“ Arbeitsleben einzutreten (und das mit Freude!!!).

Was will ich Euch damit sagen? Manchmal ist es wichtig, einen Schritt zurück zu treten und ggf. dem Pferd einfach noch mal Zeit „für sich“ zu lassen. Das sehe ich auch bei Pferden, die körperlich viele Probleme haben. Diese Tiere brauchen auch oft „Zeit für sich“. Wenn sie mit ihrem Körper oder auch mit psychischen Schwierigkeiten (zb Stallwechsel, Verlust eines Pferdekameraden) beschäftigt sind, KÖNNEN sie oft gar nicht mit uns arbeiten/kooperieren, weil sie mit anderen Dingen beschäftigt sind… Da ist Mißerfolg vorprogrammiert… Deshalb – manchmal kommt man schneller ans Ziel, wenn man etwas langsam macht…

In diesem Sinne, Euch und Euren Liebsten einen schönen Tag!

Eure Sandra

PS: Ist der Bub nicht eine Augenweide?